"Hallo, hier ist Peissen, wir melden uns vom Abgrund"

Günther Kochs berühmt gewordener, dramatischer Verzweiflungsruf am letzten Bundesliga-Spieltag 1999 hat hier und heute neue Aktualität gewonnen. Nur ist diesmal nicht Nürnberg der Schauplatz des Entsetzens, sondern die sanitären Anlagen des SV der 300-Seelen-Gemeinde Peissen - nicht nur geographische Peripherie!

Es kommen einem angesichts der hier in Peissen herrschenden Verhältnisse schon Gedanken, ob man eventuell die Zustände in Kellinghusen, Wellenkamp oder Wilster zu negativ bewertet hat, aber das waren allesamt Tatsachenentscheidungen und da auch beim Kachelreport bislang der Videobeweis nicht zulässig ist..., bleibt es bei den abgegebenen Bewertungen, da kann man nix machen.


Der Tag dieser Auswärtsfahrt fing schon wenig verheißungsvoll an: windig, 8 °C und immer wieder leichte Regenschauer. Diese Bedingungen allein schon lassen einen nicht gerade jubelnd und mit "In der Weihnachtsbäckerei" auf den Lippen den Eselsritt über 45 km nach Peissen antreten. Was aber einen dann da erwartete war ein Gemisch aus blankem Entsetzen und schiere Furcht vor dem Entkleiden.


Hätte man nicht so weit weggeparkt, dann hätte man sich besser im Auto umgezogen, aber nun war man hier und fristete eingekeilt zwischen schrottigen Schulmöbeln, zwei Zinkeimern und der wohligen Atmosphäre einer Bahnhofstoilette in Altona der frühen 80er Jahre bange Minuten.

 

Die Bilder geben die Realität ungenau wieder, denn zwischen dieser Sträflingsbank aus der JVA Moabit und den Stühlen der Modellreihe "Frl. Rottenmeier" liegen keine eineinhalb Meter und hinzu kommt noch das mittige Schaufenster der Kabine, vor dem sich selbst die freizügigsten Exhibitionisten aus unserem Team nicht umziehen wollten. So drängten sich erwachsene Männer, scheu wie Rehkitze zur Erntezeit, an den Rand dieser Kachelhöhle, um sich in die fesche TSV-Tracht zu werfen. Dass das Licht (Leuchte ohne Kuppel mit 40 W, matt) nicht funktionierte ist hier nebenbei mal als positiv zu empfinden.


Dieses Ausziehen geschah dann entweder indem man sich ungelenk auf seine eigenen Schuhe stellte, oder so wie der Sportskollege da im Bild, der sich auf einen der altersschwachen Stühle wagte.

Jeglicher Bodenkontakt wollte vermieden werden, denn der kalte Fußboden war bedeckt mit einer Schlammmasse, so als hätte der Pinatubo seine Asche nach wochenlanger Eruption hier niederregnen lassen und sich mit der herrschenden Luftfeuchtigkeit im Liebespiel vereint.

 

Dort in der Ecke einer der erwähnten Zinkeimer (bar jeder Funktion), in den vor gut 70 Jahren noch von versierten Mägden Milch direkt aus dem Euter hinein gemolken wurde. Daneben eine ausgediente Kirchenbank, die sich wohl eher das sofortige Fegefeuer erwünscht hätte, als  in der Peissener Gästekabine auf das Himmelreich zu warten.

Und hier also die richtigen Feuchträume. Für Türen hat es nicht gereicht oder die haben den Freitod gewählt und sind unter der Kombination von Nässe und Mief von der Wand gefallen. So sehen wir die Durchgänge zu den beiden Gästekabinen.

 

Gegenüber sehen wir eine Schwingtür, diese führt jedoch nicht in einen Wildwest-Saloon und somit kommt auch nicht Marshall Dillon aus "Rauchende Colts" oder John Wayne mit schweren Sporen an den Boots in den Raum, um dann dem dümmlichen Barkeeper ein rauchiges "Whisky" zu zuraunen! Nein, geht man durch diese Tür, dann steht man so gut wie draußen.


Nach einem Gartenschlauch hab ich erst gar nicht gesucht, Gerüchte besagen aber, dass im WC einer installiert sein soll. Was soll er da denn?

Nur wenige Trippelschritte nach links und man hat die Kammer des Schreckens hinter sich gelassen. Doch anders als der fiktive Harry Potter, der lediglich einem Ungeheuer angesichtig wird, muss man hier als realer Gast ja noch unter die Dusche. Neben freiliegenden Wasserleitungen und instabilen Endrohr-Konstruktionen, auf die Duschköpfe aufgesetzt wurden, entfaltet sich hier genüsslich der Schimmel.

 

Für ausgelassene Heiterkeit sorgte das Betätigen von mehreren Brausen mit nur einem Drehschalter.

 

Hellte sich draußen gegen Abend der Himmel auf und so etwas wie Frühling lag in der Luft, so blieb es drinnen unverändert und zarte Kollmaraner Seelen wurden von Schwermut und Trostlosigkeit befallen. Gut, dass die Stühle so morsch und die Rohrstücke das Gewicht eines menschlichen Körpers nicht verkraftet hätten. Stricke hatten wir eh nicht dabei.

Vor der Tür wird´s noch mal ländlich. Eine alte Maurerbütt mit trübem Grabenwasser und einer fast borstenfreien Wurzelbürste fordert zum Saubermachen des Schuhwerks auf. Wenn man da man nicht das Gegenteil mit erreicht...


Was soll das? Versteh ich nicht! Soll das schön sein? Ein alter Reifen vom Fendt eingebuddelt in die Geest mit Paderborner Kriechflechte und kümmerlichen Schlachterfarn innen drin. Na gut, vielleicht wächst da sonst nichts, dort am Abgrund.

Gesamturteil:
"Meister Propper, General und Polyboy - erbarmt Euch dieser Stätte"!

Wertung:
eine Abrissbirne